Der deutsche Strommarkt befindet sich im Wandel. Die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien führt zu einer dargebotsabhängigen Stromerzeugung und stark schwankenden Energiepreisen. Gleichzeitig eröffnet die Digitalisierung der Netze und Messsysteme für Verbraucher völlig neue Möglichkeiten. Das traditionelle Modell eines über das ganze Jahr fixierten Arbeitspreises pro Kilowattstunde weicht zunehmend flexiblen Preismodellen.
An der Spitze dieser Entwicklung stehen dynamische Stromtarife, die den Haushalt direkt an die Preisschwankungen der Strombörse koppeln. Dieses Konzept verwandelt passive Stromkonsumenten in aktive Marktteilnehmer und bietet erhebliche Einsparpotenziale – vorausgesetzt, die technischen Grundlagen und die richtige Strategie sind vorhanden.
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Ein dynamischer Stromtarif bricht mit der starren Preisstruktur klassischer Verträge. Anstelle eines festen Arbeitspreises richtet sich der Preis für eine Kilowattstunde Strom direkt nach dem aktuellen Handelspreis an der europäischen Strombörse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig. Dieser Preis ändert sich kontinuierlich, in der Regel im Stunden- oder sogar im 15-Minuten-Takt.
Der Stromversorger gibt diese Börsenpreise, zuzüglich Netzentgelten, Steuern und einer geringen Marge, direkt an den Endkunden weiter. Der Energiepreis bildet direkt das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Stromnetz ab.
Faktoren, die den Börsenstrompreis beeinflussen:
Die Umstellung auf ein dynamisches Tarifmodell bietet erhebliche Chancen, ist aber auch mit neuen Anforderungen verbunden. Der größte Vorteil liegt im Potenzial zur Kostenersparnis. Wer seinen Stromverbrauch gezielt in die Stunden mit niedrigen Börsenpreisen verlagert, kann seine Stromrechnung erheblich senken.
Gleichzeitig leistet man einen Beitrag zur Netzstabilität, indem man das Netz bei hoher Last entlastet und bei einem Überangebot an Ökostrom als Abnehmer dient. Allerdings birgt die Preisvolatilität auch Risiken. Wer seinen Verbrauch nicht steuert und große Geräte während teurer Preisspitzen betreibt, zahlt unter Umständen mehr als bei einem festen Tarif.
Die Einführung dynamischer Tarife ist untrennbar mit der Modernisierung der Messtechnik verbunden. Ohne eine digitale Erfassung und Kommunikation der Verbrauchsdaten ist eine exakte Abrechnung nicht realisierbar.
Die zwingende technische Voraussetzung für die Nutzung eines dynamischen Tarifs ist ein intelligentes Messsystem, auch Smart Meter genannt. Im Gegensatz zu alten Ferraris-Zählern kann ein Smart Meter den Stromverbrauch in kurzen Intervallen erfassen.
Die gesammelten Daten werden über eine sichere Kommunikationseinheit, das Smart Meter Gateway (SMGW), verschlüsselt an den Messstellenbetreiber und den Stromanbieter übermittelt. Die Messung des bezogenen Wechselstroms wird damit zur Grundlage für eine aktive Verbrauchssteuerung.
Der beschleunigte Einbau von Smart Metern in Deutschland, geregelt durch das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), ist die technische Basis für eine flexible Energienutzung. Für bestimmte Gruppen, wie Haushalte mit einem Jahresverbrauch über 6.000 kWh oder Betreiber von Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen, ist diese Modernisierung bereits verpflichtend.
Eng damit verknüpft ist eine weitere Regelung, der § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Er schafft einen finanziellen Anreiz: Wer eine steuerbare Anlage wie eine Wärmepumpe oder eine private E-Auto-Ladestation betreibt und dem Netzbetreiber im Bedarfsfall eine kurzzeitige Steuerung erlaubt, profitiert im Gegenzug von deutlich reduzierten Netzentgelten. Dies erhöht die Wirtschaftlichkeit dynamischer Tarife deutlich.
Der Markt für dynamische Stromtarife wächst stetig. Lange Zeit wurde dieses Segment von agilen Start-ups und spezialisierten Anbietern dominiert. Inzwischen ziehen auch große Energieversorger wie E.ON nach und bieten eigene dynamische Produkte an. Dies erhöht den Wettbewerb und die Auswahl für die Verbraucher.
Anbieter von dynamischen Tarifen:
Das größte Einsparpotenzial bei dynamischen Tarifen liegt in der gezielten Steuerung von großen Stromverbrauchern. Für den durchschnittlichen Haushalt sind dies vor allem das Elektroauto und die Wärmepumpe. Da diese Geräte flexibel betrieben werden können, eignen sie sich besonders zur Lastverschiebung.
Das Laden eines E-Autos kann problemlos in den günstigen Nachtstunden erfolgen, anstatt direkt nach der Arbeit während der teuren Abendspitze. Moderne Wallboxen und Wärmepumpen verfügen über Schnittstellen, die eine automatisierte Steuerung basierend auf den Preissignalen des Stromanbieters erlauben. Anbieter wie E.ON entwickeln hierfür eigene Energiemanagement-Lösungen.
Die aktive Verlagerung des Stromverbrauchs, auch Lastverschiebung genannt, ist der Schlüssel zum Erfolg mit einem dynamischen Tarif. Während man Haushaltsgeräte wie die Wasch- oder Spülmaschine manuell über eine Zeitschaltuhr in preisgünstige Tageszeiten legen kann, erfordert eine effiziente Steuerung der Großverbraucher intelligentere Lösungen. Hier kommen sogenannte Home Energy Management Systeme (HEMS) ins Spiel.
Diese Software-Lösungen visualisieren den Stromverbrauch, kennen die stündlichen Strompreise und können angebundene Geräte automatisch dann starten, wenn der Strom am günstigsten ist.
Einfache Schritte zur Lastverschiebung:
Dynamische Stromtarife sind ein zentraler Baustein der Energiewende. Sie bieten Verbrauchern die Chance, ihre Stromkosten aktiv zu senken, indem sie ihren Verbrauch bewusster gestalten. Die technische Voraussetzung dafür ist ein Smart Meter.
Insbesondere für Haushalte mit großen, flexiblen Verbrauchern wie E-Autos oder Wärmepumpen lässt sich so ein erhebliches Einsparpotenzial erschließen. Durch den Einsatz von Energiemanagementsystemen kann die notwendige Lastverschiebung in günstige Preisphasen sogar weitgehend automatisiert werden und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität.